Berliner Gewerbe-Pulsschlag 2023

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Berliner Gewerbe-Pulsschlag 2023

Die derzeitige Marktsituation ist von Ambivalenz geprägt. Einerseits bestimmen die Auswirkungen des Ukraine-Krieges, die Energiekrise, Inflation, steigende Finanzierungs- und Baukosten sowie ESG-Kriterien den Büro- und Gewerbemarkt der Hauptstadt. Andererseits bewegen sich die Fundamentaldaten auf einem soliden Niveau. An Normalität ist erneut nicht zu denken. Die Nachwehen der Pandemie sorgen insbesondere mit Remote Work für spürbar veränderte Flächenanforderungen an Büros. In dieser Melange aus sich wandelnden Anforderungen sowie wirtschaftlichen Unsicherheiten ergibt sich die Frage: Wie verhält sich der in der Vergangenheit so robuste Büro- und Gewerbepulsschlag der Hauptstadt? Dieser Frage geht der aktuelle Gewerbe-Pulsschlag nach und legt zudem einen Fokus auf die Themen Nachhaltigkeit und Bestandsanierung.

Zurückhaltung am Berliner Büromarkt

Die Hoffnung auf eine schnelle Rückkehr zur Normalität am Büromarkt der Hauptstadt dürfte inzwischen bei allen Marktteilnehmern verflogen sein. Die vorherrschenden multiplen Krisen sorgen für eine hohe Unsicherheit aller Marktteilnehmer. Im Ergebnis lag der Büroflächenumsatz im abgelaufenen Jahr bei rund 785.000 m² (Zehn-Jahres-Durchschnitt: 820.000 m² p. a.). Die erste Jahreshälfte 2023 verlief mit einer Vermietungsleistung (inkl. Baustart von Eigennutzern) von 266.000 m² erneut sehr zurückhaltend. Der erzielte Umsatz liegt damit deutlich unter den Umsätzen der Pandemiehalbjahre 2020 und 2021 und etwa ein Drittel unter dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre von 354.000 m². Dabei war es insbesondere der Mangel an Großabschlüssen über 10.000 m², die nachfrageseitig zu einem besseren Ergebnis gefehlt haben. Zur aktuellen Zurückhaltung trägt die Ungewissheit der Folgen von Remote Work auf den Flächenbedarf bei. Aufgrund der geringen Auslastung ihrer Büros überdenken viele Unternehmen ihre Flächenkonzepte und einige reduzieren ihre Büroflächen bereits. Das Büro der Zukunft soll dabei möglichst flexibel sein und sowohl Raum für gemeinschaftliches Arbeiten als auch Rückzugsmöglichkeiten bieten. Trotz wirtschaftlicher Unsicherheiten treiben Inflation, steigende Baukosten und die Nachfrage nach hochwertigen Neubauflächen in zentralen Lagen das Mietniveau in den Innenstadtbereichen weiter an. Ende 2022 kletterte die Spitzenmiete auf 43,50 EUR/m² und stieg in der ersten Hälfte des Jahres 2023 weiter auf 44,00 EUR/m² an. Gleichzeitig stiegen auf der Angebotsseite, aufgrund von hohen Fertigstellungszahlen in Verbindung mit der durchschnittlichen Nachfragesituation, die vakanten Flächen weiter an. Sie notieren derzeit bei 4,3 % bzw. 900.000 m² (Q4/2022: 3,7 %). Der Leerstand liegt damit jedoch weiterhin im Bereich der marktverträglichen Fluktuationsrate von 3 bis 5 %.

Alle Kraft auf den Bestand

Unabhängig der aktuellen Unsicherheiten, hervorgerufen durch multiple Krisen, werden die Themen Nachhaltigkeit und ESG die Immobilienbranche in den kommenden Jahren besonders prägen. Die Sanierung und Optimierung des Gebäudebestands wird dabei als Schlüssel zu nachhaltigeren Immobilien angesehen, denn etwa die Hälfte der Energie im Lebenszyklus einer Immobilie wird beim Bau dieser freigesetzt. Im direkten Vergleich zum (nachhaltigen) Neubau zeigen sich zudem durchaus Kostenvorteile, die eine Sanierung attraktiv machen. Mit einem „New-Work-Retro-Fit“ können die Flächen an die sich wandelnden Bürowelten angepasst und auf einen zeitgemäßen, modernen Standard gebracht werden.

Auswirkungen der Krisen sind spürbar – Berliner Büromarkt zeigt sich aber robust

Der Berliner Büro- und Gewerbemarkt zeigt sich unter Einfluss der aktuell vorherrschenden Krisen zwar beeindruckt, bleibt jedoch weiterhin krisenfest und robust. Insgesamt profitiert Berlin von seiner heterogenen Flächennachfrage, verbunden mit großer Innovationskraft und Kreativität. Die Nachwehen und Auswirkungen der aktuellen Krisen werden am Markt in den folgenden Jahren dennoch weiterhin spürbar sein.

 

(c) Marc-Steffen-Unger